Protokoll Nr. II über die Streitkräfte der Westeuropäischen Union

vom 23. Oktober 1954

Gemäß Artikel I. Absatz 2 des Protokolls zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrags vom 23. Oktober 1954 war das Protokoll Bestandteil des genannten Protokolls, nicht aber des Vertrags; dies kann jedoch aus dem Wortlaut des Vertrags geschlossen werden.

siehe Hinweis vor dem Vertragstext.

siehe auch
das Protokoll Nr. III über die Rüstungskontrolle vom 23. Oktober 1954
das Protokoll Nr. IV über das Amt für Rüstungskontrolle der Westeuropäischen Union vom 23. Oktober 1954

Beitritte erfolgten durch
Protokoll vom 14. November 1988 (Spanien, Portugal ab 27. März 1990)
Protokoll vom 20. November 1992 (Griechenland ab 6. März 1995)

ab 1. Juli 2001 faktisch gegenstandslos

Seine Majestät der König der Belgier,
der Präsident der Französischen Republik und Präsident der Französischen Union,
der Präsident der Bundesrepublik Deutschland,
der Präsident der Italienischen Republik,
Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Luxemburg,
Ihre Majestät die Königin der Niederlande und
Ihre Majestät die Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und Ihrer übrigen Reiche und Gebiete, Haupt des Commonwealth, als Unterzeichner des Protokolls zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrags,

haben nach Konsultationen des Nordatlantikrats

zu ihren Bevollmächtigten bestellt:

Seine Majestät der König der Belgier:
    Seine Exzellenz Herrn Paul-Henri Spaak, Minister des Auswärtigen,

Der Präsident der Französischen Republik und Präsidenten der Französischen Union:
    Seine Exzellenz Herrn Pierre Mendès-France, Ministerpräsidenten, Minister des Auswärtigen,

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland:
    Seine Exzellenz Herrn Konrad Adenauer, Bundeskanzler, Bundesminister des Auswärtigen,

Der Präsident der Italienischen Republik:
    Seine Exzellenz Herrn Gaetano Martino, Minister des Auswärtigen,

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Luxemburg:
    Seine Exzellenz Herrn Joseph Bech, Ministerpräsident, Minister des Auswärtigen,

Ihre Majestät die Königin der Niederlande:
    Seine Exzellenz Herrn Johan Willem Beyen, Minister des Auswärtigen,

Ihre Majestät die Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien, Nordirland und Ihrer übrigen Reiche und Gebiete, Haupt des Commonwealth:
    Für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland:
    Sir Antony Eden, K. G., M. C., Mitglied des Parlaments, Ersten Staatssekretär des Auswärtigen,

und folgendes vereinbart:

Artikel 1. 1. Die Land- und Luftstreitkräfte, die jeder der Hohen Vertragschließenden Teile dieses Protokolls dem Alliierten Oberbefehlshaber Europa in Friedenszeiten auf dem europäischen Festland unterstellt, dürfen nach Gesamtstärke und Anzahl der Verbände nicht überschreiten:
a) für Belgien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Niederlande die Höchstgrenzen, wie sie in dem Sonderabkommen zu dem am 27. Mai 1952 in Paris unterzeichneten Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft für Friedenszeiten festgelegt sind;
b) für das Vereinigte Königreich 4 Divisionen und die Zweite Taktische Luftflotte;
c) für Luxemburg eine Kampfgruppe in Regimentsstärke.

2. Die Anzahl der in Absatz 1 genannten Verbände kann, um den Bedürfnissen der NATO zu entsprechen, soweit dies erforderlich ist, auf den neuesten Stand gebracht und angepaßt werden, vorausgesetzt, daß eine gleichwertige Kampfkraft erhalten bleibt und die Gesamtstärken nicht überschritten werden.

3. Die Festlegung dieser Höchststärken verpflichtet keinen der Hohen Vertragschließenden Teile, Streitkräfte dieser Stärke aufzustellen oder zu unterhalten, beläßt ihnen aber das Recht, dies, wenn erforderlich, zu tun.

Artikel 2. Hinsichtlich der Seestreitkräfte wird der Beitrag, den jeder der Hohen Vertragschließenden Teile dieses Protokolls den NATO-Kommandobehörden leistet, jedes Jahr im Zuge der Jahreserhebung (unter Berücksichtigung der Empfehlungen der militärischen NATO-Stellen) festgelegt. Die Seestreitkräfte der Bundesrepublik Deutschland bestehen aus den Schiffen und Verbänden, die zur Erfüllung der ihr von der Organisation des Nordatlantikvertrags zugewiesenen Verteidigungsaufgaben erforderlich sind, oder gleichwertiger Kampfkraft; sie müssen sich im Rahmen des in Artikel 1 genannten Sonderabkommens halten.

Artikel 3. Werden während der NATO-Jahreserhebung zu irgendeinem Zeitpunkt Empfehlungen vorgelegt, die zu einer Erhöhung der Gesamtstärke der Streitkräfte über die in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Grenzen hinaus führen würden, so darf der betreffende Staat die empfohlenen Erhöhungen nur annehmen, wenn die Hohen Vertragschließenden Teile dieses Protokolls dies einstimmig billigen; die Billigung kann entweder im Rat der Westeuropäischen Union oder in der Organisatiön des Nordatlantikvertrags zum Ausdruck gebracht werden.

Artikel 4. Damit der Rat der Westeuropäischen Union feststellen kann, ob die in den Artikeln 1 und 2 festgelegten Grenzen eingehalten werden, erhält er laufend Mitteilungen, die auf den Ergebnissen der vom Obersten Alliierten Befehlshaber Europa durchgeführten Inspektionen beruhen. Diese Mitteilungen werden von einem hohen Offizier übermittelt, den der Oberste Alliierte Befehlshaber Europa hierzu bestimmt.

Artikel 5. Die Stärke und Bewaffnung der Streitkräfte für die bodenständige Verteidigung und der Polizeikräfte der Hohen Vertragschließenden Teile dieses Protokolls auf dem europäischen Festland werden unter Berücksichtigung der eigentlichen Aufgaben und des Bedarfs sowie der vorhandenen Stärke dieser Kräfte durch Abkommen innerhalb der Organisation der Westeuropäischen Union festgelegt.

siehe hierzu das Abkommen vom 14. Dezember 1957

Artikel 6. Ihre Majestät die Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland wird auf dem europäischen Festland einschließlich Deutschlands die Effektivstärke der zur Zeit dem Obersten Alliierten Befehlshaber Europa zur Verfügung gestellten Streitkräfte des Vereinigten Königreichs, d. h. vier Divisionen und die Zweite Taktische Luftflotte, aufrechterhalten oder dort Streitkräfte unterhalten, die der Oberste Alliierte Befehlshaber Europa als gleichwertige Kampfkraft ansieht. Ihre Majestät verpflichtet sich, diese Streitkräfte nicht gegen den Wunsch der Mehrheit der Hohen Vertragschließenden Teile zurückzuziehen; diese treffen ihre Entscheidung, nachdem sie von der Auffassung des Obersten Alliierten Befehlshabers Europa Kenntnis genommen haben. Diese Verpflichtung bindet jedoch Ihre Majestät nicht im Falle eines akuten Notstandes in Übersee. Falls die Unterhaltung der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs auf dem europäischen Festland zu irgendeiner Zeit eine zu schwere Belastung der auswärtigen Finanzen des Vereinigten Königreichs mit sich bringt, wird Ihre Majestät durch Ihre Regierung im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland den Nordatlantikrat ersuchen. die finanziellen Bedingungen für den Unterhalt der Verbände des Vereinigten Königreichs zu überprüfen.

    Zu Urkund dessen haben die obengenannten Bevollmächtigten dieses Protokoll, das eines der in Artikel 1 des Protokolls zur Änderung und Ergänzung des Vertrags bezeichneten Protokolle darstellt, unterzeichnet und mit ihrem Siegel versehen.

    Geschehen zu Paris am dreiundzwanzigsten Oktober 1954 in je einem Urstück, in englischer und französischer Sprache, wobei beide Fassungen in gleicher Weise maßgebend sind; sie werden in den Archiven der belgischen Regierung hinterlegt, die jedem der anderen Unterzeichnerstaaten beglaubigte Abschriften übermittelt.

Für Belgien:
P.-H. Spaak

Für Frankreich:
Pierre Mendès-France

Für die Bundesrepublik Deutschland:
Adenauer

Für Italien:
G. Martino

Für Luxemburg:
Jos. Bech

Für die Niederlande
J. W. Beyen

Für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland:
Antony Eden

Das Protokoll ist am 6. Mai 1955 in Kraft getreten. Das Protokoll kann als gegenstandslos bezeichnet werden, da deren Bestimmungen durch spätere Abkommen überlagert werden.
 


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II. 1955 S. 262ff.
Sartorius II, Internationale Verträge, Europarecht, Beck-Verlag München
Europa - Verträge und Gesetze, Bundeszentrale für politische Bildung 1972
Organisation der Westeuropäischen Union
© 21. Februar 2003 - 28. Dezember 2009
Home             Top