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Protokoll
über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union

vom 13. Oktober 2004

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN,

IN DER ERWÄGUNG, dass die Union nach Artikel III-434 der Verfassung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen genießt,

SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag über eine Verfassung für Europa und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügt sind:

KAPITEL I
VERMÖGENSGEGENSTÄNDE, LIEGENSCHAFTEN, GUTHABEN UND GESCHÄFTE DER EUROPÄISCHEN UNION

Artikel 1

Die Räumlichkeiten und Gebäude der Union sind unverletzlich. Sie dürfen nicht durchsucht, beschlagnahmt, eingezogen oder enteignet werden. Die Vermögensgegenstände und Guthaben der Union dürfen ohne Ermächtigung des Gerichtshofes nicht Gegenstand von Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden oder Gerichte sein.

Artikel 2

Die Archive der Union sind unverletzlich.

Artikel 3

Die Union, ihre Guthaben, Einkünfte und sonstigen Vermögensgegenstände sind von jeder direkten Steuer befreit.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten treffen in allen Fällen, in denen es ihnen möglich ist, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung des Betrages der indirekten Steuern und Verkaufsabgaben, die in den Preisen für bewegliche oder unbewegliche Güter inbegriffen sind, wenn die Union für ihren Dienstbedarf größere Einkäufe tätigt, bei denen derartige Steuern und Abgaben im Preis enthalten sind. Die Durchführung dieser Maßnahmen darf jedoch den Wettbewerb innerhalb der Union nicht verfälschen.

Von den Abgaben, die lediglich die Vergütung für Leistungen gemeinnütziger Versorgungsbetriebe darstellen, wird keine Befreiung gewährt.

Artikel 4

Die Union ist von allen Zöllen sowie Ein- und Ausfuhrverboten und -beschränkungen bezüglich der zu ihrem Dienstgebrauch bestimmten Gegenstände befreit. Die in dieser Weise eingeführten Gegenstände dürfen im Hoheitsgebiet des Staates, in das sie eingeführt worden sind, weder entgeltlich noch unentgeltlich veräußert werden, es sei denn zu Bedingungen, welche die Regierung dieses Staates genehmigt.

Der Union steht ferner für ihre Veröffentlichungen Befreiung von Zöllen sowie Ein- und Ausfuhrverboten und -beschränkungen zu.

KAPITEL II
NACHRICHTENÜBERMITTLUNG UND AUSWEISE

Artikel 5

Den Organen der Union steht für ihre amtliche Nachrichtenübermittlung und die Übermittlung aller ihrer Schriftstücke im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaats die gleiche Behandlung wie den diplomatischen Vertretungen zu.

er amtliche Schriftverkehr und die sonstige amtliche Nachrichtenübermittlung der Organe der Union unterliegen nicht der Zensur.

Artikel 6

Die Präsidenten der Organe der Union können den Mitgliedern und Bediensteten dieser Organe Ausweise ausstellen, deren Form durch eine Europäische Verordnung des Rates, der mit einfacher Mehrheit beschließt, bestimmt wird und die von den Behörden der Mitgliedstaaten als gültige Reiseausweise anerkannt werden. Diese Ausweise werden den Beamten und sonstigen Bediensteten nach Maßgabe des Statuts der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union ausgestellt.

Die Kommission kann Abkommen zur Anerkennung dieser Ausweise als im Hoheitsgebiet dritter Staaten gültige Reiseausweise schließen.

KAPITEL III
MITGLIEDER DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

Artikel 7

Die Reise der Mitglieder des Europäischen Parlaments zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments unterliegt keinen verwaltungsmäßigen oder sonstigen Beschränkungen.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments erhalten bei der Zollabfertigung und Devisenkontrolle
a) seitens ihrer eigenen Regierung dieselben Erleichterungen wie hohe Beamte, die sich in offiziellem Auftrag vorübergehend ins Ausland begeben;
b) seitens der Regierungen der anderen Mitgliedstaaten dieselben Erleichterungen wie ausländische Regierungsvertreter mit vorübergehendem offiziellem Auftrag.

Artikel 8

Wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung dürfen Mitglieder des Europäischen Parlaments weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden.

Artikel 9

Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments
a) steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,
b) können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments.

Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden; sie steht auch nicht der Befugnis des Europäischen Parlaments entgegen, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben.

KAPITEL IV
VERTRETER DER MITGLIEDSTAATEN, DIE AN DEN ARBEITEN DER ORGANE DER UNION TEILNEHMEN

Artikel 10

Den Vertretern der Mitgliedstaaten, die an den Arbeiten der Organe der Union teilnehmen, sowie ihren Beratern und Sachverständigen stehen während der Ausübung ihrer Tätigkeit und auf der Reise zum und vom Tagungsort die üblichen Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen zu.

Dies gilt auch für die Mitglieder der beratenden Einrichtungen der Union.

KAPITEL V
BEAMTE UND SONSTIGE BEDIENSTETE DER UNION

Artikel 11

Den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union stehen im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaats ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit folgende Vorrechte und Befreiungen zu:
a) Befreiung von der Gerichtsbarkeit bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen, jedoch vorbehaltlich der Anwendung der Bestimmungen der Verfassung über die Vorschriften betreffend die Haftung der Beamten und sonstigen Bediensteten gegenüber der Union und über die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union für Streitsachen zwischen der Union und ihren Beamten sowie sonstigen Bediensteten. Diese Befreiung gilt auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit;
b) Befreiung von Einwanderungsbeschränkungen und von der Meldepflicht für Ausländer. Das Gleiche gilt für ihre Ehegatten und die von ihnen unterhaltenen Familienmitglieder;
c) die den Beamten der internationalen Organisationen üblicherweise gewährten Erleichterungen auf dem Gebiet der Vorschriften des Währungs- und Devisenrechts;
d) das Recht, ihre Wohnungseinrichtung und ihre persönlichen Gebrauchsgegenstände bei Antritt ihres Dienstes in den betreffenden Staat zollfrei einzuführen und bei Beendigung ihrer Amtstätigkeit in diesem Staat ihre Wohnungseinrichtung und ihre persönlichen Gebrauchsgegenstände zollfrei wieder auszuführen, vorbehaltlich der Bedingungen, welche die Regierung des Staates, in dem dieses Recht ausgeübt wird, in dem einen und anderen Fall für erforderlich erachtet;
e) das Recht, das zu ihrem eigenen Gebrauch bestimmte Kraftfahrzeug, sofern es in den Staat ihres letzten ständigen Aufenthalts oder in dem Staat, dem sie angehören, zu den auf dem Binnenmarkt dieses Staates geltenden Bedingungen erworben worden ist, zollfrei einzuführen und es zollfrei wieder auszuführen, vorbehaltlich der Bedingungen, welche die Regierung des in Frage stehenden Staates in dem einen und anderen Fall für erforderlich erachtet.

Artikel 12

Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlt, wird zugunsten der Union eine Steuer nach den Bestimmungen und dem Verfahren erhoben, die durch Europäisches Gesetz festgelegt werden. Dieses Gesetz wird nach Anhörung der betroffenen Organe erlassen.

Die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union sind von innerstaatlichen Steuern auf die von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.

Artikel 13

Die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union, die sich lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienst der Union im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates niederlassen, in dem sie zur Zeit des Dienstantritts bei der Union ihren steuerlichen Wohnsitz haben, werden in den beiden genannten Staaten für die Erhebung der Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer sowie für die Anwendung der zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten der Union geschlossenen Abkommen so behandelt, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz beibehalten, sofern sich dieser in einem Mitgliedstaat der Union befindet. Dies gilt auch für den Ehegatten, soweit dieser keine eigene Berufstätigkeit ausübt, sowie für die Kinder, die unter der Aufsicht der in diesem Artikel bezeichneten Personen stehen und von ihnen unterhalten werden.

Das im Hoheitsgebiet des Aufenthaltsstaats befindliche bewegliche Vermögen der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist in diesem Staat von der Erbschaftsteuer befreit. Für die Veranlagung dieser Steuer wird es vorbehaltlich der Rechte dritter Länder und der etwaigen Anwendung internationaler Abkommen über die Doppelbesteuerung als in dem Staat des steuerlichen Wohnsitzes befindlich betrachtet.

Ein lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienste anderer internationaler Organisationen begründeter Wohnsitz bleibt bei der Anwendung dieses Artikels unberücksichtigt.

Artikel 14

Das System der Sozialleistungen für die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union wird durch Europäisches Gesetz festgelegt. Es wird nach Anhörung der betroffenen Organe erlassen.

Artikel 15

Die Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Union, auf welche Artikel 11, Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 13 ganz oder teilweise Anwendung finden, werden durch Europäisches Gesetz festgelegt. Es wird nach Anhörung der betroffenen Organe erlassen.

Namen, Dienstrang und -stellung sowie Anschrift der Beamten und sonstigen Bediensteten dieser Gruppen werden den Regierungen der Mitgliedstaaten in regelmäßigen Zeitabständen mitgeteilt.

KAPITEL VI
VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER VERTRETUNGEN DRITTER LÄNDER, DIE BEI DER UNION BEGLAUBIGT SIND

Artikel 16

Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Sitz der Union befindet, gewährt den bei der Union beglaubigten Vertretungen dritter Staaten die üblichen diplomatischen Vorrechte und Befreiungen.

KAPITEL VII
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 17

Die Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen werden den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union ausschließlich im Interesse der Union gewährt.

Jedes Organ der Union hat die Befreiung eines Beamten oder sonstigen Bediensteten in allen Fällen aufzuheben, in denen dies nach seiner Auffassung den Interessen der Union nicht zuwiderläuft.

Artikel 18

Bei der Anwendung dieses Protokolls handeln die Organe der Union und die verantwortlichen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen.

Artikel 19

Die Artikel 11 bis 14 und 17 finden auf die Mitglieder der Kommission Anwendung.

Artikel 20

Die Artikel 11 bis 14 und Artikel 17 finden auf die Richter, die Generalanwälte, die Kanzler und die Hilfsberichterstatter des Gerichtshofs der Europäischen Union Anwendung; die Bestimmungen des Artikels 3 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union betreffend die Befreiung der Richter und Generalanwälte von der Gerichtsbarkeit bleiben hiervon unberührt.

Die Artikel 11 bis 14 und Artikel 17 finden auch auf die Mitglieder des Rechnungshofs Anwendung.

Artikel 21

Dieses Protokoll gilt auch für die Europäische Zentralbank, die Mitglieder ihrer Beschlussorgane und ihre Bediensteten; das Protokoll zur Festlegung der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank bleibt hiervon unberührt.

Die Europäische Zentralbank ist außerdem von allen Steuern und sonstigen Abgaben anlässlich der Erhöhungen ihres Kapitals sowie von den verschiedenen Förmlichkeiten befreit, die hiermit in dem Staat, in dem sie ihren Sitz hat, verbunden sind. Ferner unterliegt die Tätigkeit der Bank und ihrer Beschlussorgane, soweit sie nach Maßgabe der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ausgeübt wird, nicht der Umsatzsteuer.

Artikel 22

Dieses Protokoll gilt auch für die Europäische Investitionsbank, die Mitglieder ihrer Organe, ihr Personal und die Vertreter der Mitgliedstaaten, die an ihren Arbeiten teilnehmen; das Protokoll zur Festlegung der Satzung der Europäischen Investitionsbank bleibt hiervon unberührt.

Die Europäische Investitionsbank ist außerdem von allen Steuern und sonstigen Abgaben anlässlich der Erhöhungen ihres Kapitals sowie von den verschiedenen Förmlichkeiten befreit, die hiermit in dem Staat, in dem sie ihren Sitz hat, verbunden sind. Desgleichen werden bei ihrer etwaigen Auflösung und Liquidation keine Abgaben erhoben. Ferner unterliegt die Tätigkeit der Bank und ihrer Organe, soweit sie nach Maßgabe der Satzung ausgeübt wird, nicht der Umsatzsteuer.


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II 2008 S. 1165ff.
Amtsblatt der Europäischen Union
© 27. Dezember 2009 - 1. Januar 2010

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