Vorherige Seite

Protokoll (Nr. 9)
über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union

vom 2. Oktober 1997

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN -

EINGEDENK dessen, dass die Kontrolle der jeweiligen Regierungen durch die einzelstaatlichen Parlamente hinsichtlich der Tätigkeiten der Union Sache der besonderen verfassungsrechtlichen Gestaltung und Praxis jedes Mitgliedstaats ist,

IN DEM WUNSCH jedoch, eine stärkere Beteiligung der einzelstaatlichen Parlamente an den Tätigkeiten der Europäischen Union zu fördern und ihnen bessere Möglichkeiten zu geben, sich zu Fragen, die für sie von besonderem Interesse sein können, zu äußern -

SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag über die Europäische Union und den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beigefügt sind:

I. Unterrichtung der Parlamente der Mitgliedstaaten
- Alle Konsultationsdokumente der Kommission (Grün- und Weißbücher sowie Mitteilungen) werden den Parlamenten der Mitgliedstaaten unverzüglich zugeleitet.
- Die Vorschläge der Kommission für Akte der Gesetzgebung, wie sie vom Rat nach Artikel 207 Absatz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgelegt werden, werden rechtzeitig zur Verfügung gestellt, so dass die Regierung jedes Mitgliedstaats dafür Sorge tragen kann, dass ihr einzelstaatliches Parlament sie gegebenenfalls erhält.
- Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Vorschlag für einen Rechtsakt oder ein Vorschlag für eine Maßnahme nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union dem Europäischen Parlament und dem Rat in allen Sprachen von der Kommission unterbreitet wird, und dem Zeitpunkt, zu dem er zur Beschlussfassung entweder zur Annahme als Rechtsakt oder zur Festlegung eines gemeinsamen Standpunkts nach Artikel 251 oder Artikel 252 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf die Tagesordnung des Rates gesetzt wird, liegt ein Zeitraum von sechs Wochen, außer in dringenden Fällen, die in dem Rechtsakt oder gemeinsamen Standpunkt zu begründen sind.

II. Konferenz der Europa-Ausschüsse
- Die am 16./17. November 1989 in Paris gegründete Konferenz der Europa-Ausschüsse, im folgenden als "COSAC" bezeichnet, kann jeden ihr zweckmäßig erscheinenden Beitrag für die Organe der Europäischen Union leisten, und zwar insbesondere auf der Grundlage von Entwürfen für Rechtstexte, deren Übermittlung an die COSAC von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten in Anbetracht der behandelten Frage gegebenenfalls einvernehmlich beschlossen wird.
- Die COSAC kann Vorschläge oder Initiativen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts prüfen, die möglicherweise unmittelbare Auswirkungen auf die Rechte und Freiheiten des einzelnen nach sich ziehen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission werden über die von der COSAC nach dieser Nummer geleisteten Beiträge unterrichtet.
- Die COSAC kann dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission jeden ihr zweckmäßig erscheinenden Beitrag über die Gesetzgebungstätigkeiten der Union, insbesondere hinsichtlich der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie der die Grundrechte betreffenden Fragen vorlegen.
- Die Beiträge der COSAC binden in keiner Weise die einzelstaatlichen Parlamente und präjudizieren in keiner Weise deren Standpunkt.


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II. 1998 S.387, 2001 S. 1667, 2003 S. 1410, 2006 S. 1148
© 3. März 2001 - 6. April 2007
Home                Nächste Seite          Top